Wilhelm Baron von Gloeden wurde 1856 auf Schloss Volkshagen bei Wismar in Mecklenburg geboren. Sein Vater war Forstmeister im Dienst des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin. Nach dessen frühem Tod heiratete Gloedens Mutter einen konservativen Politiker und Journalisten, Wilhelm Joachim Baron von Hammerstein. Gloeden begann das Studium der Kunstgeschichte in Rostock, wechselte aber zur Kunstakademie in Weimar, um Maler zu werden. 1878 reiste er wegen eines Lungenleidens nach Italien und blieb in Taormina, einer kleinen Hafenstadt in Sizilien, die er seinen "Himmel auf Erden" nannte. Dort erlangte er seine Gesundheit wieder, sehr wahrscheinlich auch, weil er nun erotische Erfüllung fand. Von den frühen 1880er Jahren an versuchte er sich als Fotograf und wurde zu einer Zeit, als noch die meisten Fotografen fast nur im Studio arbeiteten, ein Pionier der Freiluftfotografie. Dabei hatte er von Anfang an ein bevorzugtes Thema: künstlerische Fotografien von nackten Jungen in idyllischer Umgebung. Aber erst 1895, als Gloedens Stiefvater, der ihn bis dahin mit großzügigen Geldzuwendungen unterstützt hatte, sein Vermögen verlor, entschloss sich Gloeden, Berufsfotograf zu werden. Schon bald waren seine Bilder sehr gefragt.

Dabei erscheint es merkwürdig, dass solche Fotografien nicht insgeheim gehandelt wurden, wie man in Hinblick auf die überwiegend prüde öffentliche Meinung der damaligen Zeit, die inbesondere jede Art von Homoerotik ablehnte, vermuten könnte. Stattdessen wurden viele der Bilder in großen Zeitschriften veröffentlicht und in Ausstellungen in mehreren Ländern gezeigt, wo sie mit Preisen ausgezeichnet wurden, sogar in England. Allerdings gibt es von Gloeden nicht nur Aktfotos, sondern auch Porträts, Landschaften, Genreszenen und dergleichen mehr. Wenn er anscheinend auch keine sexuellen Darstellungen fotografierte, so ist doch die erotische Inspiration und manchmal auch der erotische Inhalt seiner Aktfotos deutlich genug. Dennoch meinten manche Zeitgenossen, darin nur völkerkundliche Studien oder malerische Beschwörung des klassischen Altertums zu sehen.

Tatsächlich war dieser Bewunderer der alten Griechen aufrichtig begeistert von seiner Wahlheimat und ihren Menschen, den Nachkommen der Einwohner des antiken Tauromenion, das 603 v. Chr. von Dionysos I., dem griechischen Herrscher von Syrakus, gegründet worden war. Diese Herkunft schien von der oft vollkommenen Schönheit der Jünglinge bestätigt zu werden, auch wenn sie mitunter in Lumpen gehüllt waren. Gloeden berief sich auf die hochangesehene kulturelle Überlieferung der Antike und präsentierte seine Bilder als "Illustrationen zu Homer und Theokrit". Das erwies sich als nützlicher Vorwand, um die Nacktheit seiner Modelle zu rechtfertigen, es ist aber auch der Grund, warum manche seiner Bildinszenierungen manieriert und sogar kitschig wirken. Doch ist es gerade der Gegensatz zwischen dem Anspruch, der ausgewogenen Haltung klassischer Statuen gleichzukommen, und der natürlichen körperlichen Wirklichkeit dieser jungen Bauern, Hirten und Fischer, was den Fotografien einen besonderen Reiz verleiht. Einige von ihnen wirken auch tatsächlich so, als wären sie in der Antike aufgenommen worden. Zudem gibt es eine Reihe von Bildern, die besonders überzeugend sind, in denen keine bestimmte Idee dargestellt werden soll, sondern die für das Alter der Jugendlichen typische träumerisch unbestimmte Erwartung zum Ausdruck gebracht wird.